Das Projekt zur österreichisch-tschechischen Geschichte initiierte die Ständige Konferenz
österreichischer und tschechischer Historiker zum gemeinsamen kulturellen Erbe (SKÖTH), die seit ihrer Gründung im Jahr 2009 bestrebt war, ein Buch über die gemeinsame österreichisch-tschechische Geschichte für die breite Öffentlichkeit zu verfassen. Die Arbeit an dem Buch begann 2014 und
beinhaltete von Anfang an auch die Absicht, Unterrichtsmodule für Schulen zu erstellen, die sich mit Themen der österreichisch-tschechischen Geschichte befassen.
Mit der Erstellung der Schulmaterialien wurden Ondřej Matějka vom ÚSTR auf tschechischer Seite und
Prof. Thomas Hellmuth von der Universität Wien auf österreichischer Seite beauftragt. Es entstanden
13 Module, die sowohl vom Didaktiker-Team als auch den Mitgliedern der SKÖTH begutachtet
wurden.
Wie entstanden die Unterrichtsmodule?
Zu Beginn stellte sich die Frage, wie das Thema der österreichisch-tschechischen Geschichte den
zeitgenössischen Schülerinnen und Schülern nähergebracht werden soll und kann. Es handelt sich um
eine Generation, für die die österreichisch-tschechischen Auseinandersetzungen um das
Atmokraftwerk Temelín und die sogenannten „Beneš-Dekrete“ um die Jahrtausendwende genauso
weit entfernt sind wie das Zusammenleben in der Habsburgermonarchie. Und so wie für die meisten
jungen Tschechinnen und Tschechen die 300 Jahre im gemeinsamen Staat kein „dunkles Zeitalter"
mehr darstellen, so sind „die Tschechen“ für die jungen Österreicherinnen und Österreicher nicht mehr
die „Totengräber der Monarchie“. Die Welt der jungen Menschen in Österreich und Tschechien
enthält zwar eine Reihe von Hinweisen auf die gemeinsame Geschichte, diese liegen aber tief unter
den aktuellen Themen vergraben.
Trotzdem fanden wir Anknüpfungspunkte zwischen der österreichisch-tschechischen Geschichte und
der Gegenwart der Schülerinnen und Schüler. Diese bestanden insbesondere in der Notwendigkeit,
eine multiperspektivische Sicht auf verschiedene historische Situationen zu erlernen. Dies ist eine
wichtige Fähigkeit für die Aufrechterhaltung des demokratischen Zusammenlebens in politisch, sozial
und ethnisch diversen Gesellschaften, wie sie im heutigen Österreich und in der Tschechischen
Republik zu finden sind. Ein weiterer wichtiger Anknüpfungspunkt wurde in der historisch-
staatsbürgerlichen Bildung gefunden, d.h. die Einbeziehung historischer Themen in die
Staatsbürgerkunde. Die gemeinsame Geschichte Österreichs und Tschechiens bietet einen reichen
Fundus, um diese Bildungsziele erreichen zu können.
Es zeigte sich, dass sich dieser Ansatz überdies mit den österreichischen und tschechischen Lehrplänen
deckt, die, wenn auch mit geringfügigen Abweichungen, dieselben Schwerpunkte haben. Sie basieren
nicht auf Kenntnissen zu bestimmten Themen, sondern zielen auf historische Kompetenzen im Sinne
einer selbständigen Orientierung in der Geschichte ab. Die Module behandeln Themen aus der
gemeinsamen österreichisch-tschechischen Geschichte in einer Form, dass sie im Sinne des
österreichischen und tschechischen Lehrplans im gewöhnlichen Geschichtsunterricht und im
Staatbürgerkundeunterricht verwendet werden können.
Worum geht es in den Unterrichtsmodulen?
Die Module decken chronologisch den Zeitraum vom Prager Fenstersturz 1618 bis in die 1970er Jahre
ab. Sie verweisen häufig direkt auf Kapitel aus der Publikation: „NACHBARN. Ein gemeinsames
österreichisch-tschechisches Geschichtsbuch“, das Autorenteams im Rahmen der Ständigen Konferenz
österreichischer und tschechischer Historiker (SKÖTH) verfasst haben.
Die Module sind so konzipiert, dass sie für den regulären Geschichts- und
Staatsbürgerkundeunterricht geeignet sind. Ihr „Mehrwert" besteht in den Verweisen auf die
österreichisch-tschechische Geschichte.
Elf Module sind für den Unterricht in der Klasse konzipiert. Zwei Module bieten Material für Ausflüge
nach Prag [Praha] und Nikolsburg [Mikulov]. Die Ausflüge können von tschechischen, österreichischen
und gemischten Schüler/innengruppen durchgeführt werden.
Wie arbeite ich mit den Modulen?
Die Module enthalten konkrete Anweisungen zur Vorgehensweise in der Klasse, einschließlich
Kommentare für Lehrer/innen. Ihre Grundlage stellt die zeitgenössische konstruktivistische Pädagogik
dar. Ihre Struktur leitet sich aus dem dreiphasigen Lehrmodell ab. Bezugnehmend auf die Geschichts-
Didaktik haben alle Module einen gemeinsamen Ausgangspunkt im sog. wissenschaftlichen Zugang,
bei dem die Schüler/innen zumindest teilweise selbständig mit bestimmten historischen Quellen
arbeiten.
Die Module enthalten Empfehlungen, für welche Zielgruppe von Schüler/innen sie bestimmt sind. Die
meisten sind für die Oberstufe von Gymnasien und höheren Schulen, einige auch für die Unterstufe
und für die Mittelschule. Gleichzeitig handelt es sich dabei nur um Empfehlungen, die auf den
Erfahrungen der Autor/innen beruhen. Es ist sicherlich möglich, die Module auch bei anderen
Altersgruppen zu verwenden.